02.03.2024 12:08

Die Kunst der "Phänologie" - mit dem Rhythmus der Jahreszeiten verbunden durch Pflanzenbeobachtung

Die Phänologie ist die Wissenschaft, die sich mit den im Jahresablauf regelmäßig wiederkehrenden Wachstums- und Entwicklungserscheinungen von Pflanzen befasst. Für Wildsammler-, Gärtner- und Landwirt:innen geben phänologische Zeiger Hinweise für Anbau- und Erntezeitpunkte. Für Klimaforscher:innen zeigen die Veränderungen in den phänologischen Jahreszeiten plastisch den schon jetzt bemerkbaren Einfluss der fortlaufenden Klimakatastrophe. Für mich ist das phänologische Beobachten beides - und noch dazu ein greifbarer Anker in der Flüchtigkeit der Zeit.


Was sind phänologische Jahreszeiten?

Die Phänologie unterteilt ein Jahr nicht nur in die üblichen vier, sondern in 10 Jahreszeiten. Dabei werden Frühling, Sommer und Herbst jeweils dreigeteilt, der Winter bleibt - als Zeit der Pflanzenruhe - eine Einheit. Und so werden die phänologischen Jahreszeiten eingeteilt (je mit dem üblichen phänologischen Zeiger in der Klammer):

  • FRÜHLING: Vorfrühling (Hasel - Blüte), Erstfrühling (Forsythie - Blüte), Vollfrühling (Frühapfel - Blüte)
  • SOMMER: Frühsommer (Holunder - Blüte), Hochsommer (Sommer -Linde - Blüte), Spätsommer (Frühapfel - Früchte)
  • HERBST: Frühherbst (Holunder - Früchte), Vollherbst (Stiel-Eiche - Früchte), Spätherbst (Stiel-Eiche - Blattverfärbung)
  • WINTER: Winter (Stiel-Eiche - Blattfall)


Die wichtigsten phänologischen Zeigerpflanzen

Um die phänologischen Jahreszeiten zu beobachten reicht es, sechs Pflanzen erkennen zu können. Konkret sind das: Hasel, Forsythie, Frühapfel, Holunder, Sommer-Linde und Stiel-Eiche - die sechs klassischen Zeigerpflanzen der 10 phänologischen Jahreszeiten.

Doch sind die sechs Klassiker nicht die einzigen Pflanzen, die für phänologische Beobachtungen in Frage kommen. Für das eigene Beobachten macht es Sinn Pflanzen zu wählen, an denen man regelmäßig vorbei kommt - vor der Haustür, an der Bushaltestelle, auf dem Supermarktparkplatz. Eine ganze Reihe von für die Phänologie tauglichen Pflanzen werden im Buchtipp weiter unten vorgestellt.

Egal, welche Pflanzen beobachtet werden: Nur keine Scheu! Solange Pflanzen nur angeschaut werden, gibt es kein Risiko bei der Bestimmung etwas falsch zu machen! Für den Einstieg kann auch eine App (ich nutze gerne PlantNet) genutzt werden.


Beobachtungen festhalten

Allein das Wahrnehmen der Veränderungen in den phänologischen Zeigern ist spannend - noch spannender wird es, über einen längeren Zeitraum die Beobachtungen festzuhalten und von Jahr zu Jahr zu vergleichen. Dafür reicht schon ein einfaches, kleines Notizbuch, in dem die Beobachtungen chronologisch notiert werden. Alternativ ...

Mehrjähriges Wochen-Journal
Für längere Zeiträume und bessere Vergleichbarkeit ist es sinnvoll, ein mehrjähriges Notizbuch anzulegen. Dieses wird (zum Beispiel) in die 52 Kalenderwochen (KW) eines Jahres unterteilt, also eine Seite oder Doppelseite je KW. Der jeweilige Platz wird dann unterteilt in die Anzahl der Jahre, die das Notizbuch geführt werden soll. In jedem Jahr werden dann die Notizen in der entsprechenden Woche vermerkt - so können sie ganz einfach verglichen werden.

Phänologie x Nature Journaling
Wer es bunter mag, kann phänologische Beobachtungen auch mit "Nature Journaling" verbinden. Nature Journaling ist die wundervolle Kombination aus Naturbeobachtung und Kunst in Form von Zeichnungen und Worten. Inspiration findet ihr hierzu bei Verena von „wiederwilderwerden“, die das Nature Journaling seit ein paar Jahren im Deutschen Raum bekannt macht - yay!


Die „Phäno-Uhr“ - der Phänologische Kalender des Deutschen Wetterdienstes

Beim Deutschen Wetterdienst (DWD) werden phänologische Daten von hunderten Freiwilligen in ganz Deutschland zusammengetragen. Aus diesen Daten wird ermittelt, wann die eine in die nächste phänologische Jahreszeit übergeht - deutschlandweit und je Bundesland. Daraus wird die Phänologische Uhr erstellt, die hier abgerufen werden kann.

Wer Lust hat, seine Beobachtungen nicht nur für sich zu machen, sondern dem DWD wertvolle Daten liefern möchte: für einzelne Regionen werden noch Freiwillige gesucht - hier.

Und hier gibt es vom DWD eine kostenfreie Anleitung zur phänologischen Beobachtung.


Buchempfehlung

Phänologie fasziniert mich schon viele Jahre - ein Buch darüber hatte ich aber lange vergeblich gesucht, denn die sind ziemlich rar. Umso mehr freute ich mich, als ich auf das Buch „Pflanzen im Rhythmus der Jahreszeiten beobachten“* stieß, das der Haupt-Verlag 2020 aus dem Französischen übersetzen ließ. Verfasst wurde das Buch von einem Team aus neun Wissenschaftler:innen, die sich aus unterschiedlichen Perspektiven mit der Phänologie befassen.

Was im Buch zu finden ist:

  • Einführung in die Phänologie und ihre Bedeutung, u.a. für die Klimabiologie
  • Informationen zur Pflanzenbestimmung
  • ausführliche Beschreibung von und Einteilung in die verschiedenen Stadien der Pflanzenentwicklung
  • hilfreiche Detailfotos der Entwicklungsstadien

Was mir am Buch gefällt: die Hintergründe zu Phänologie und Klima, die greifbare Faszination der Autor:innen, die sehr gelungenen und hilfreichen Fotos.

Was mir im Buch noch fehlt: der direkte Bezug zu den 10 phänologischen Jahreszeiten und die Zuteilung der Pflanzenstadien dazu.

 



Das Buch habe ich auf Anfrage als Rezensionsexemplar vom Haupt-Verlag erhalten.

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