In einem alten Ordner habe ich vor kurzem ein Lieblingsrezept wiederentdeckt. Handschriftlich in großen Buchstaben, auf buntem Papier und geschützt in einer Klarsichthülle. Ich erinnere mich gut an die kleine Küche, in der ich damals, als ich das Rezept aufschrieb, oft mit einer Horde Kinder stand: in der Mitte zwei große Holztische, ein riesiger holzbefeuerter Ofen, die Wände voller Kräuter- und Gewürzgläser. Auf einer Seite konnte man durch große Glasscheiben direkt in einen kleinen Ziegenstall sehen. Und wenn man aus der Tür trat, überblickte man einen urigen Lernbauernhof am Rande von Freiburg, angeschmiegt an die Hügel des Schwarzwaldes.
Ich liebe dieses Rezept, weil es so simpel und wandelbar ist. Und weil es noch nie schief ging. Für die Kochkurse mit den Kindern brauchte ich etwas, was sie ohne viel Hilfe machen konnten, was in einem launischen Holzofen funktioniert und vor allem: was mit einfachen, regionalen und wilden Zutaten auskommt und saisonal anpassbar ist, was ein essenzieller Part der Kochkurse und Ferienfreizeiten war, die ich damals begleitete. Es ist das perfekte Kuchenrezept für alle Jahreszeiten. Im Folgenden teile ich deshalb zum einen das Rezept und zum anderen, weiter unten, Ideen für jahreszeitliche, wilde Zutaten.
Rezept
Ein Hinweis vorab: wenn ich Rezepte aufschreibe, dann sehr grob und freilassend - weil ich selbst genau so koche und backe. Wenn ihr genauere Angaben braucht, empfehle ich in der Suchmaschine eurer Wahl nach “versunkener Apfelkuchen” zu suchen und ein für euch passendes Rezept selbst zu verwildern.
Die Menge passt in eine klassische Pie-Form / für ein Blech habe ich immer das Doppelte genommen.
Zuerst die trockenen Zutaten mischen:
150 g Mehl (ich nehme ca. 2/3 Vollkorn, 1/3 1000er - Weizen oder Dinkel),
50 g Zucker,
1/3 Pckg. Backpulver,
etwas Salz
Diese Grundmischung kann mit saisonalen und wilden Zutaten ergänzt werden, z.B. geröstete, ganze oder gemahlene Nüsse, wilde Samen - mehr zu den passenden Arten im Jahreskreis gibt es weiter unten.
Dann
2 Eier / entspr. Eiersatz,
60 g weiche Margarine
hinzufügen und kurz grob vermischen
- ich nehme dafür einen Schneebesen.
Schließlich
50 / 60 ml (Pflanzen)Milch ergänzen
- ich ergänze die Milch nach Gefühl bis ein leicht flüssiger Teig entsteht.
Den Teig kurz glatt rühren.
Eine Pie-Form oder kleine Kuchenform mit Backpapier auslegen.
Den Teig einfüllen.
Nun kann mit Obst weiter saisonalisiert und verwildert werden (auch hier findest Du mehr zu den passenden Arten im Jahreskreis weiter unten). Das Obst darf ruhig sehr grob geschnitten sein oder bei entsprechend kleinen Beeren auch am Stück in den Teig gesteckt werden. Die Idee ist, dass das Obst im Teig versinkt, also lieber etwas in die Tiefe denken und in den Teig drücken als es flach drauf zu legen.
Im vorgeheizten Ofen (180 °C Ober-/Unterhitze) etwa 20 - 30 Minuten backen, bis der Kuchen aufgegangen und leicht goldbraun ist.
Sollte der Kuchen etwas trocken werden, einfach über Nacht abgedeckt stehen lassen - die enthaltenen Früchte lassen den Teig mit der Zeit saftiger werden.
Ein Kuchen für jede Jahreszeit
Dieses einfache Rezept lässt sich wunderbar anpassen für saisonale Kuchen im Takt der Jahreszeiten. Hier sind einige Ideen - die Liste wird nach und nach wachsen. Schreib mir gerne hier weitere Vorschläge für jahreszeitliche Zutaten.
Bei den wilden Zutaten ist unbedingt Sicherheit in der Bestimmung und Einschätzung der Essbarkeit gefragt. Manche davon - zum Beispiel Bucheckern, Hagebuttenpulver - gibt es auch zu kaufen. Die individuellen Besonderheiten bei den Zutaten (z.B. wenn diese roh unverträglich sind) sind zu beachten.
Frühling
Die ersten frischen Wildkräuter schieben sich aus dem Boden. Besonders Brennnessel passt geschmacklich gut in süße Backwaren: getrocknet und fein gemahlen oder kurz in wenig Wasser blanchiert und dann fein püriert (entsprechend weniger Milch verwenden).
Essbare Blüten eignen sich als Dekoration, entweder auf dem fertig gebackenen Kuchen platziert oder - wie bei Blüten-Plätzchen - oben drauf gelegt und mitgebacken. Essbar sind zum Beispiel Gänseblümchen, Löwenzahn und Veilchen.
Und dann sind da natürlich noch die Erdbeeren, ob kultiviert oder wild, die gegen Mitte / Ende des Frühlings reif werden.
Sommer
Beerenzeit: Heidelbeeren, Brombeeren, Himbeeren, Stachelbeeren, … einfach am Stück in den Teig drücken.
Dazu kommen im Lauf des Sommers weitere Früchte wie Mirabellen, Zwetschgen oder Feigen, halbiert oder geviertelt.
Manche Pflanzen bilden jetzt schon Samen aus, zum Beispiel die Brennnessel. Sie können in den Teig gemischt oder (wie im Titelbild) oben drauf gestreut werden.
Der Sommer bringt weitere Blüten, Margeriten und Rosen zum Beispiel (Verwendung: siehe Frühling). Außerdem kann Rosenwasser in den Teig gemischt werden.
Herbst
Nun reifen Äpfel und Birnen. Es gibt viele Möglichkeiten, sie in diesem Kuchen zu verwenden, ob in dünnen Scheiben oder üppig großen Stücken. Oder gleich einige halbe Bratäpfel (mit Füllung)? Außerdem können aus feinen, langen Apfelscheiben “Rosen” geformt werden.
Und auch viele Nüsse und Samen werden jetzt reif, zum Beispiel Haselnüsse, Walnüsse, Esskastanien, Bucheckern (vorher rösten).
Derweil erleben Wildkräuter, wie etwa Brennnesseln, einen “zweiten Frühling”, treiben also kurz vor dem Winter nochmal üppig frisch aus (Verwendung: siehe Frühling).
Fein gemahlener “wilder Kaffee”, z.B. aus den getrockneten und gerösteten Wurzeln von Löwenzahn und Wegwarte oder den Samen des Labkrauts, kann den trockenen Zutaten zugefügt werden (entsprechend weniger Mehl verwenden). Der Geschmack ist, je nach Pflanze, irgendwo zwischen bitter-herb und schokoladig-nussig.
Hagebutten können (ohne ihre hautreizenden Samen) verwendet werden - am einfachsten getrocknet und fein gemahlen als Pulver im Teig.
Winter
Nadelbäume (bis auf die Lärche) tragen ihre Nadeln das ganze Jahr über. Aromatisch passen sie aber natürlich besonders gut in den Winter. Essbar sind unter anderem Douglasie, Fichte, Tanne und Kiefer. Sie können getrocknet und fein gemahlen in den Teig gegeben werden.
Herb-saure Beeren wie Vogelbeeren und Schlehen hängen bis in den Winter hinein an den Ästen und werden durch Frost (draußen oder im Gefrierfach) angenehmer im Geschmack.