03.02.2024 11:02

Morgenseiten schreiben

Noch im Schlafanzug sitze ich da, eine weiche Decke um meine Schultern, den Duft des frisch gebrühten Kaffees in der Nase, während sich draußen gerade die Sonne über die Hügel hinter dem Haus schiebt.

Vor mir: ein Notizbuch, in meiner Hand: ein Stift.
Ich atme noch einmal tief durch ... dann setze ich den Stift auf und schreibe. Und schreibe und schreibe und höre nicht mehr auf zu schreiben bis die Seiten vor mir voll sind.

Fast jeden Morgen ist das mein Ritual: ich schreibe „Morgenseiten“. Am Anfang war es oft eine Überwindung, mit dem Schreiben anzufangen, doch mittlerweile verbinde ich mit den Morgenseiten vor allem Erleichterung und Dankbarkeit.


Meine ganz persönliche Erfahrung - warum ich das Schreiben von Morgenseiten nicht mehr missen möchte:

  1. Es tut gut zu wissen, dass es einen festen Zeitpunkt und ein Medium gibt, um mir regelmäßig den Kopf frei zu schreiben. Dadurch fällt es mir leichter im Alltag weniger zu grübeln, denn ich weiß ja, dass es einen besseren Zeitpunkt und Ort gibt, um mir die Gedanken zu machen!
  2. Wenn ich meine Gedanken auf Papier vor mir habe, erkenne ich leichter Muster und Zusammenhänge. Oft gehe ich Texte nochmal durch, unterstreiche und umkringle was mir essenziell scheint.
  3. Es ist spannend und hilfreich zu sehen, wie sich Gedanken und Ansichten im Lauf der Zeit verändern. Ich sehe mir gerne alte Einträge durch (z.B. in der Zeit zwischen den Jahren oder wenn Veränderungen anstehen), weil ich so erst merke, wie viele der Themen, die mal unlösbar schienen, sich doch irgendwie haben lösen lassen. Auch frühere Erkenntnisse kann ich mir so in Erinnerung rufen. Ist ein Notizbuch fast voll geschrieben, nutze ich die letzte Doppelseite, um die wichtigsten Erkenntnisse zu extrahieren.


Wer hat die „Morgenseiten“ erfunden?

Den Tag mit freiem Schreiben zu beginnen, empfiehlt in den 1930ern schon Dorothea Brande in ihrem Buch „Becoming a writer“*. Die Künstlerin und Autorin Julia Cameron machte die Technik später unter dem Begriff „morning pages“, also „Morgenseiten“, durch ihr Buch „Der Weg des Künstlers“* bekannt.


Was brauche ich, um Morgenseiten zu schreiben?

Papier, Stift und ein paar Minuten jeden Morgen.


Wie viel Zeit brauche ich für die Morgenseiten?

Bei den Morgenseiten nimmt man sich eine bestimmte Seitenlänge und -anzahl vor. Julia Cameron empfiehlt drei A4-Seiten. Ich persönlich schreibe nur eine. Meine Empfehlung ist: mit einer A5-Seite anfangen, dann zwei, drei.

Wann wird es thematisch interessant? Was lässt sich realistischerweise jeden Morgen in den Alltag einbauen?


Wie schreibt man Morgenseiten?

Morgenseiten schreiben ist „freewriting“ - es gibt also keine festgelegte Form. Es wird geschrieben was und wie spontan aufs Papier fließt. Das ist meist Fließtext, es können aber auch Listen oder was ganz anderes sein.


Worüber soll ich schreiben?

Egal.

Wirklich.


Warum wird empfohlen, per Hand zu schreiben?

  • Es ist ein direkteres, körperlicheres Erleben.
  • Es ist flexibler was die Form betrifft (Fließtext, Listen etc.).
  • Das Schreiben wird entschleunigt.
  • Wir tendieren weniger zum Löschen, Streichen etc.


Muss / soll ich die Morgenseiten später nochmal lesen?

Die einen schwören darauf ihre Morgenseiten später nochmal zu lesen, Wichtiges zu markieren oder rauszuschreiben, Entwicklungen sichtbar zu machen. Andere vernichten sie direkt im Anschluss. Die Entscheidung ist auch hier ganz individuell.


Kann ich Morgenseiten abends schreiben?

Auch das Schreiben am Abend kann hilfreich sein - es ist aber nicht mit dem Schreiben von Morgenseiten zu vergleichen.

Die Idee der Morgenseiten ist, zu schreiben, wenn der Tag noch völlig offen ist. Während abends zu schreiben eher zu Reflektion über den Tag anregt, ist das morgendliche Schreiben freier, offener und inspiriert eher über Möglichkeiten und Potenziale zu reflektieren.

 



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