05.06.2024 1:07

Kreatives Schreiben fürs Nature Journal

Nachdem ich kürzlich auf Instagram meinen Weblog-Post über das Haiku schreiben geteilt hatte, erreichte mich die Frage, welche Formen des Kreativen Schreibens noch gut in ein Nature Journal passen. Dazu fielen mir direkt einige Klassiker des Kreativen Schreibens ein, die ich im Folgenden teile. Vorab aber noch ein paar Worte zum „Nature Journaling“ ...

Mit dem Nature Journaling hat für mich vor etwa 5 Jahren meine Reise zum Zeichnen von Pflanzen, Pilzen und Tieren angefangen (siehe Bild Nr. 2). An die Aha-Momente beim Üben mit den Videos von John Muir Laws zur Darstellung von Perspektiven erinnere ich mich dabei besonders. Und obwohl ich heute selbst kein Nature Journal mehr führe, sondern losere Wege des Zeichnens und Schreibens gegangen bin, spickle ich noch immer gerne in die bunten, wilden Journals anderer.

Was ist ein "Nature Journal"?

Ein Nature Journal ist üblicherweise ein Heft oder Skizzenbuch, in dem Beobachtungen über (meist wilde) Pflanzen, Tiere und Pilze, aber auch Landschaften und Habitate, festgehalten werden. Die Idee ist, durch genaues Wahrnehmen und Festhalten, ein tieferes Verständnis für und eine größere Verbindung zur Wildnis um uns herum zu bekommen. Das geht schon mit wenigen Minuten am Tag oder in der Woche und ganz einfachen, groben Aufzeichnungen für die es weder besonderes Talent noch teure Materialien braucht.

Die drei Grundelemente eines Nature Journals sind:

1) WORTE - dazu gleich mehr.
2) BILDER - also das, was im Journal am meisten auffällt: Zeichnungen, von simpel bis komplex, schwarz auf weiß bis bunt.
3) ZAHLEN - messen, wiegen, vergleichen, Statistiken, Daten usw.

Ressourcen für das Nature Journaling allgemein und vor allem für das Zeichnen findet ihr ganz unten im Post.

Worte im Nature Journal

Wenn Zeichnungen und Worte zusammenkommen, entsteht ein wunderbares, mehrdimensionales Bild an Eindrücken. Die meisten Ressourcen fürs Nature Journaling befassen sich mit dem Zeichnen. Worte sind dabei meist eher Begleitung als gleichwertiges Element. Deshalb ist dieser Post auch speziell den Worten fürs Nature Journal gewidmet.

Hier sind also 12 Ideen für Kreatives Schreiben im Nature Journal:

 

Sachliche Texte

 

  • Benennen. Das, was Du vor dir hast bzw. was Du zeichnest. Dabei kommt es nicht drauf an, jedes Kraut beim Namen zu kennen. Namen dürfen auch beschreibend und - oh ja! - erfunden sein; so sind sie schließlich entstanden!
  • Beschreiben. Das, was Du vor dir hast bzw. was Du zeichnest. In allen Details. Nutze dabei so viele Sinne wie möglich.
  • Fragen stellen. Im Nature Journal geht es nicht darum, zu wissen, sondern neugierig zu sein. Genauso wie Du aufschreiben kannst, was Du bereits weißt, kannst Du notieren, was Du dich fragst. „Hat der kleine Schnupsel an der Blüte eine Funktion? Welche?“ - so in der Art zum Beispiel.

 

Gedichte

 

  • Haiku sind Dreizeiler mit recht fester Struktur und Ursprung in Japan. Im Kern sind Haiku saisonale Beobachtungen im Außen. Hier findest Du meinen ausführlichen Post über Haiku.

Ruhiger Morgen,
Tauben flattern aus dem Wald

- zwei Wanderer.

 

  • Elfchen sind einfache Vierzeiler aus 11 Worten. Sie können frei oder zu Überthemen (z.B. Farb-Elfchen) geschrieben werden.

Braunblau

das Wasser

und darauf Enten.

Nur auf Durchreise am

Moorauge.

 

  • Ein Limerick ist ein Kurzgedicht in fünf Zeilen mit strenger Struktur, aber lockerem, humorvollem, oft fiktivem Inhalt. Oft verweisen die Gedichte in der ersten Zeile auf einen Ort oder eine besondere Eigenschaft von etwas oder jemandem.

So schrieb Edward Lear, einer der ersten Limerick-Schreiber über einen Mann mit riesigem Bart, in dem eine Vielzahl an Vögeln nistete:

There was an Old Man with a beard,

Who said, "It is just as I feared!—

Two Owls and a Hen, four Larks and a Wren,

Have all built their nests in my beard.

 

  • Schneeball, Knödelgedicht und andere Formen. Hierbei wird ein Text - ähnlich dem Elfchen - in eine Struktur mit unterschiedlichen Wortzahlen je Zeile gegossen, sodass eine erkennbare Form entsteht. Für einen „Schneeball“ zum Beispiel 1 / 2 / 3 / 4 / 5 / 4 / 3 / 2 / 1 Wörter je Zeile untereinander.

 

Wortspiele

 

  • Bei einem Akrostichon werden die einzelnen Buchstaben eines Wortes genutzt, um etwas Neues zu schaffen: einzelne Worte, ganze Sätze - selbst Gedichte:

B rech ich dich, so stichst du mich,

R ächst dich, verständlich,

E igentlich - doch ärgerlich, und

N un brennt es, fürchterlich ...

N essel, du, Gemeine -

N un krieg ich dich, du Feine, ha!

E ein Handschuh ist der Meine!

S chmeckst mir gedünstet und gebraten,

S chmeckst in Suppen und Salaten,

E iweiß und Eisen kann ich von dir erwarten,

L eer noch mein Topf, doch voll der Garten ...

 

  • Bei einer Alliteration fangen die Worte eines Satzes oder Textes immer wieder mit dem selben Laut an.

Schon schön: silberblaue Schwalben so schweben sehen.

 

  • Für ein Anagramm wird ein Wort oder Satz zerstückelt und neu zusammengesetzt. Dabei kann man streng jeden Buchstaben aus dem ursprünglichen Gefüge nur ein Mal verwenden oder die einzelnen Buchstaben beliebig oft.

Aus DISTEL wird so zum Beispiel: „Stil ist die edelste List.“

 

  • Bei einem ABeCedarium orientiert man sich am Alphabet. Es können einzelne Wörter (zu jedem Buchstaben des Alphabet) zu einem Überthema oder Ort gefunden werden. Oder es werden Sätze gebildet, bei denen die Anfangsbuchstaben der aufeinanderfolgenden Wörter dem Alphabet folgen, vorwärts wie rückwärts.
  • Bei einem Lipogramm werden festgelegte Buchstaben weggelassen, d.h. der Text muss aus Wörtern bestehen, die diese nicht enthalten. Auf diese Weise wurden schon ganze Romane verfasst! Je häufiger der Buchstabe, desto schwieriger - das E ist im Deutschen übrigens der häufigste Buchstabe.

Mehr Wortspielerei findest Du zum Beispiel hier, sowie online und gedruckt unter dem Stichwort „OuLiPo“. Das steht für „Ouvroir de littérature potentielle“, Werkstatt für potenzielle Literatur, eine 1960 von französischen Literaten gegründete Gruppe, die sich das Spielen mit Worten zur Aufgabe und Herausforderung gemacht hat.


Ressourcen fürs Nature Journaling:

  • Hier habe ich damals zum (botanischen) Zeichnen gefunden: Videos, Infos und Tipps der Wild Wonder Foundation und von John Muir Laws.
  • Verena von "Wieder Wilder Werden" hat Nature Journaling im großen Stil nach Deutschland gebracht und bietet u.a. regelmäßige (kostenfreie bzw von Supportern ermöglichte) Journal-Sessions online an.
  • Live-Treffen gibt es bei den Nature Journal Clubs in Deutschland, Österreich und der Schweiz.

Quellen: