Barbarazweige - wie es mitten im Winter blüht
Es gibt viele scheinbare Kleinigkeiten, an denen sich die Zerstörung des Klimas schon heute auch „bei uns“ zeigt. Lange dachte ich, Knospen an Bäumen und Sträuchern im Winter gehörten dazu. Tatsächlich ist es aber normal, dass viele Pflanzen das Vorjahr nutzen, um sich auf die nächste Saison vorzubereiten. Im Frühjahr dauert es erst eine Weile, bis alle Systeme wieder laufen und nach der Ruhephase auf Wachstum eingestellt sind. Wenn dann erst Blätter und Blüten gebildet werden müssten, würde wertvolle Zeit mit langen Sonnentagen verloren gehen. Also bilden vor allem früh blühende Arten die Knospen bereits im Sommer und Herbst und lassen diese den Winter unter einer Schutzschicht aus robusten Knospenschuppen überdauern.
Diese Voraussicht der Pflanzen ermöglicht eine faszinierende Tradition: Barbarazweige.
Was sind Barbarazweige?

Barbarazweige sind Zweige von Bäumen oder Sträuchern, an denen sich bereits Knospen befinden, die im Winter ins Haus gebracht werden, wo sie etwa drei Wochen später beginnen zu blühen.
Der Name geht auf die Legende der Heiligen Barbara zurück, in deren Kleid sich ein Zweig verfangen haben soll, als sie ins Gefängnis gebracht wurde. Den Zweig habe sie in ein Gefäß mit Wasser gestellt, woraufhin der irgendwann blühte - und zwar genau an dem Tag, an dem sie zur “Märtyrerin” wurde, was (angenommen an der Geschichte wäre was dran) eben etwa drei Wochen später gewesen sein müsste. Barbarazweige sollen über die Jahrhunderte auch als Orakel genutzt worden sein. Junge Mädchen und Frauen schnitten mehrere Zweige und wiesen je einem den Namen eines möglichen Partners zu. Der Zweig, der zuerst blühte, sollte auf den zukünftigen Bräutigam hinweisen. Als Ernteorakel zählte man die Zahl der aufgehenden Blüten als Vorhersage für die Ernte im kommenden Jahr.
Wann schneidet man Barbarazweige?
Traditionell werden Barbarazweige zum Barbaratag am 4. Dezember geschnitten. Die Hoffnung ist, dass sie dann genau zu Weihnachten blühen. Mitunter werden die Zweige auch weihnachtlich geschmückt. Auf einen genauen Tag zu achten, ist aber optional. In den letzten Jahren erinnerte ich mich meist mit dem ersten eiskalten Wind daran, Zweige zu schneiden - irgendwann zwischen Mitte November und Mitte Dezember. Die Zweige blühten dann im Laufe des Dezembers und Januars. Als ich im letzten Jahr einen Magnolienzweig zum ersten Mal pünktlich zum 4. Dezember schnitt, blühte der Zweig ab dem 23. Dezember.
Wie schneidet man Barbarazweige?
Zum Schneiden verwende ich eine Schere, idealerweise eine Gartenschere oder ähnliches. Von mehreren Bäumen schneide ich je einen kleinen Zweig. Am liebsten nehme ich dabei verschiedene Arten, um ganz unterschiedliche Blüten zu haben. Wichtig ist, dass an dem Zweig gut ausgebildete Knospen vorhanden sind - und dass es sich um die richtigen handelt.
Wie erkennt man Knospen von Blüten?
Blütenknospen sind eher rundlich und prall, während die Knospen von Blättern länglicher sind. Blätter können genauso austreiben wie Blüten.
(Bei Birken-, Weiden- und Haselzweigen ist das sehr reizvoll.)
Sensibilität
Es ist natürlich zu bedenken, dass jede fehlende Knospe eine Blüte und Frucht weniger am Baum bedeutet. Es macht also Sinn an Stellen zu schneiden, die sowieso geschnitten werden sollen oder auch verwilderte Obstbäume zu wählen. Und dabei genügsam und respektvoll zu sein.
Welche Bäume und Sträucher eignen sich?

Früh blühende Sträucher und Bäume sind am besten geeignet. Typische Zweige für Barbarazweige sind die von Obstbäumen, oft Süßkirsche oder Apfel. Aber auch Birke, Haselnuss, Rosskastanie, Weide, Forsythie, Schlehe, Weißdorn, Kornellkirsche und andere können sich eignen. Besonders üppig und zuverlässig blüht die Magnolie. Apfel und Flieder gelten hingegen als eher schwierig. Die Forsythie bietet sich sehr an, weil sie von vielen ohnehin im Frühjahr (oft sehr radikal und zu spät) geschnitten wird. Die gelben Blüten sind im Vergleich zu den anderen genannten auch besonders eindrucksvoll.
Zum Bestimmen empfehle ich die kosten- und werbefreie App Flora Incognita der Technischen Universität Ilmenau und des Max Planck Instituts, über die auch zu Citizen Science Projekten beigetragen werden kann.
Wie bringt man Barbarazweige zum Blühen?
Ich habe schon Zweige ins Haus geholt und sie blühten ohne den folgenden Prozess. Wer aber die Wahrscheinlichkeit erhöhen möchte, kann den Winter und Frühling imitieren.
Eins: Winter
Durch eine Phase mit niedrigen Temperaturen baut sich ein Pflanzen-Hormon ab, das den Austrieb der Knospen hemmt. Das kann man versuchen zu erreichen, indem man die Zweige für einige Stunden in die Gefriertruhe legt, wenn es noch nicht viele Frosttage gab.
Zwei: Winter / Frühling
Die Zweigenden werden frisch angeschnitten, in eine Vase mit Wasser gestellt und für einige Tage in einem mäßig warmen Raum platziert. Wenn es trocken im Raum ist, macht es Sinn, die Zweige gelegentlich mit Wasser zu besprühen, damit sie nicht austrocknen.
Drei: Frühling
Zuletzt bekommen die Zweige einen Platz in einen Raum mit „Zimmertemperatur“, am besten hell, aber ohne direktes Sonnenlicht. Weiterhin leicht anfeuchten.
Auch wenn es biologisch nachvollziehbar ist, wieso Barbarazweige Mitten im Winter blühen, ist es doch faszinierend und wunderlich. Ich habe immer einige Skrupel Pflanzen zur Dekoration zu schneiden und hier ist es nicht anders.
— Schreibimpulse zum Mitwundern —
- Schreibe über etwas, das aus der Zeit oder dem Kontext gefallen ist.
- Schreibe über etwas, das längst vorbereitet ist, aber im Verborgenen auf den passenden Moment wartet.