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Jahrkreisfeste feiern

Warum, wann und wie - mit wilden Menü-Ideen

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Jahreszeiten gehen fließend ineinander über - und doch kommt irgendwann ein Punkt, an dem es sich mit einem mal anders anfühlt. Ich schreibe diese Zeilen im Herbst 2020 an einem sonnigen Tag, der deutlich über 20 Grad mit sich bringt und den dennoch bereits kühle Winde durchziehen. In den nächsten Tagen soll es regnen und es sollen die Temperaturen fallen - das war vor zwei Wochen schon mal so und dann kamen doch noch einmal Sonne und Wärme zurück. Es ist ein hin und her, das jetzt noch ausgewogen scheint und von dem doch jeder weiß, was sich am Ende durchsetzen wird...


Rhythmus und Halt

Seit ich wilde Pflanzen und Pilze sammle, sind die Jahreszeiten in ihrem Wandel mir viel bewusster geworden. Früher waren es Ferien, Geburtstage und christliche Feste, die das Jahr unterteilten und ihm einen stetigen Rhythmus gaben. Heute sind es die zarten Baumblätter und Morcheln im Frühling, die Löwenzahn-Blüten und Pfifferlinge im Sommer, die Brombeeren und Parasole im Herbst und die verschiedensten Pilze des Winters, die ich nicht verpassen möchte und derentwegen ich den Verlauf der Vegetation ganz genau im Blick behalte.

Wir folgen keiner Religion und haben wenig zeitlich feste Verpflichtungen. Das ist schön, kann aber auch zu einem Gefühl der Haltlosigkeit werden. Den Jahreskreis an ganz bestimmten Punkten zu feiern, ihm noch intensivere Beachtung als sonst zu schenken, kann diese Lücke füllen.


Zu welchen Zeiten wird gefeiert

Die jeweilige Dauer von Tag und Nacht prägt Wetter und Vegetation. Orientieren wir uns an deren Verhältnis, ergibt sich - jedenfalls in Mitteleuropa - recht eindeutig die klassische Aufteilung des Jahres in Frühling, Sommer, Herbst und Winter.


Die vier großen Jahrkreisfeste

Die konkreten Daten für die Tagundnachtgleichen und Sonnwenden unterscheiden sich von Jahr zu Jahr um wenige Tage und pendeln meist zwischen dem 20. und 23. des Monats. Zum Teil liegen Verbindungen zu christlichen Festen nahe - etwa bei Ostern und Weihnachten, aber auch kleinere Feste finden in auffälliger Häufung zu jahreszeitlich signifikanten Punkten im Jahr statt. Eine Theorie ist, dass diese Korrelation daher stammt, dass sich die frühen Christen schwer damit taten, die sogenannten Heiden zu bekehren und deshalb deren Jahrkreisfeste durch Alternativen ersetzten.


Frühjahrs-Tagundnachtgleiche: Um den 20. / 23. März sind Tag und Nacht etwa gleich lang. Mit dieser Tagundnachtgleiche beginnt dann auch die wärmere Zeit, wenn nach und nach das Licht die Dunkelheit verdrängt.

Sommer-Sonnwende: Zur Sommersonnenwende um den 20. / 23. Juni erreicht die Sonne ihren Höhepunkt. Auch wenn es erst ein, zwei Monate später wirklich sommerlich wird - nie wieder im Jahr ist es so lange hell wie jetzt.

Herbst-Tagundnachtgleiche: Der 20. / 23. September leitet den Beginn der dunkleren Zeiten ein. Wieder mal sind Tag und Nacht gleich lang - für das nächste halbe Jahr werden die Nächte länger sein als die Tage.

Winter-Sonnwende: Die Wintersonnwende zum 20. / 23. Dezember markiert die längste Nacht des Jahres, aber auch die Rückkehr des Lichts - die Tage werden jetzt langsam wieder länger.


Die vier Feste dazwischen

Auch an den Daten genau zwischen diesen vier großen Fixpunkten wurde und wird gefeiert. Meist werden hier die keltischen Feste referenziert. Diese sind "Imbolc" - christlich Lichtmeß - zum 2. Februar, "Beltane" - christlich Walpurgis - als Beginn des Sommerhalbjahres zum 1. Mai, "Lugnasad" - christlich Maria Himmelfahrt - zum 1. August und "Samhain" - christlich Allerheiligen -, der Beginn des Winterhalbjahres und Jahresbeginn der Kelten, zum 1. November.


Wie wird gefeiert?

Überwiegend werden heutzutage sicherlich die kultur-christlichen Feste wie Ostern und insbesondere Weihnachten gefeiert - auch von Menschen, die sich nicht als religionszugehörig verstehen. Und doch gibt es immer mehr Menschen, die sich an alten, naturverbundenen Traditionen erfreuen und neue etablieren. So manch einer nimmt sich auch einfach das beste aus beiden Welten und nimmt sowohl das Sonnwendfeuer als auch ein paar Tage darauf das Weihnachtsfest mit. ;-)

Wir selbst konzentrieren uns auf die großen 4, weil sie für uns sehr logisch und deutlich das Jahr unterteilen. Für uns hat das Feiern der Jahreszeiten wenig mit einem rauschenden Fest zu tun - was nicht heißt, dass wir nicht irgendwann auch mal zu der Gelegenheit zum Feiern, Essen und Musik machen mit Freunden am euer einladen wollen :) - uns geht es vor allem um Bewusstsein...


Die Besonderheit dieser Zeit im Jahr bewusst wahrnehmen

Nicht nur der Tag selbst, auch die Tage davor und danach ist das Jahrkreisfest Thema. Aktuell nehmen wir uns zu den Tag-und-Nacht-Gleichen je zwei, drei Tage und zu den Sonnwenden etwa zwei Wochen frei. Weil... warum nicht? :)

Wir versuchen etwas zur Ruhe zu kommen, die Witterung, den Duft der Morgenluft, die Geräusche draußen, die Pflanzen und Pilze ganz bewusst wahrzunehmen.



Sonnwendfeuer

Sonnwendfeuer sind Klassiker unter den Jahrkreisfestlichkeiten. Sowohl zur Sommer- als auch zur Wintersonnwende werden große Feuer entzündet und drumherum gefeiert und geschmaust.


Räuchern

Ganz klassisch ist auch das Räuchern zu den Jahrkreisfesten. Ihm wird oftmals eine reinigende Wirkung zugesagt. Besonders relevant ist das Räuchern auch zu den sogenannten Rauhnächten, auch "Zeit zwischen den Jahren" genannt - also die Zeit zwischen der Wintersonnwende und dem neuen Jahr.


Aufräumen und Reinigen - Platz machen für Neues

Eine neue Jahreszeit ist eine willkommene Gelegenheit für einen Neuanfang - einen kleinen jedenfalls. Ganz so als wäre vier Mal im Jahr Neujahr.

Wir machen uns schon einige Tage vorher Gedanken, welche Ecken in unserem Zuhause wir uns vornehmen wollen. Meist sind es Stellen, die schon länger etwas vernachlässigt wurden. Gerne nutzen wir die Gelegenheit auch dazu etwas grundlegender aufzuräumen und zu putzen. Bei uns herrscht meist ein wenig Chaos - und so tut es gut, vier Mal im Jahr einen Fixpunkt zu haben, an dem wir für etwas Klarheit und Ordnung sorgen können.

Aber auch Platz für Neues. Kühlschrank, Gefriertruhe und Vorratsschränke können aussortiert und aufgeräumt werden, damit die Ernte der neuen Jahreszeit ihren Platz finden können. Ich habe außerdem eine kleine jahreszeitlich dekorierte Ecke auf unserem Geschirrschrank - die wird zu den Jahrkreisfesten einmal geleert, geputzt und wieder - mit Altem und Neuem - hergerichtet.


Dekorieren - die Natur ins Haus holen

Ein wenig die Besonderheiten der Jahreszeit ins Haus holen.

Das können im Frühling die ersten Frühjahrsboten sein, im Sommer ein wilder Mix an Blumen, im Herbst allerlei Nüsse oder auch eine Girlande aus Weißdornbeeren, im Winter Zapfen und benadelte Äste der dem Eis trotzdenden Bäumen.




Essen - die Besonderheiten schmecken

Na klar. Ob alleine, zu zweit oder in großer Runde... viele Menschen feiern die Jahrkreisfeste mit einem besonderen Essen. Oft sind die Menüs sehr regional und saisonal geprägt - und nicht selten wild. Jede Jahreszeit bringt Pflanzen und Pilze, die sie ganz besonders prägen und nur zu dieser Zeit da sind. Hier eine Idee je Jahreszeit für ein wildes Menü...

Frühling:

  • Getränk: Waldmeister-Bowle // Wipfel-Limonade
  • Vorspeise: Salat aus den ersten jungen Wildkräutern und Baumblättern, darauf gebratene Morcheln
  • Hauptgericht: Bärlauchsuppe mit Brennnesselchips-Topping
  • Nachtisch: Veilchen-Wackelpudding

Sommer:

  • Getränk: Holunderblüten-Limonade // Wiesen-Dudler (Limonade aus Giersch, Gundermann, Löwenzahn)
  • Vorspeise: Dolmades aus Huflattich-Blättern mit Pilz-Reis-Füllung
  • Hauptgericht: Brennnesselbratlinge mit Wildbeeren-Chutney und gedünstetem Fisch
  • Nachtisch: Heidelbeer-Mädesüß-Tartelettes

Herbst:

  • Getränk: Kräutertee // Wilder Kaffee
  • Vorspeise: wilde Bruschette (mit Wildkräutern und gebratenen Wildpilzen)
  • Hauptgericht: Panierter Parasol mit Weißdornbeeren- oder Hagebuttenketchup
  • Nachtisch: Vanilleeis mit Vogelbeer- oder Hagebuttensauce

Winter:

  • Getränk: wild gewürzter Punsch / Glühwein (z.B. mit Bärenklausamen)
  • Vorspeise: Pilzcremesuppe (aus getrockneten Pilzen)
  • Hauptgericht: Brennnessel-Spätzle (aus getrockneten B.) mit Wildschwein- oder Reh-Braten und Wintergemüse (Karotten, Kürbis, Rosenkohl, Grünkohl,...)
  • Nachtisch: beschwipste, schokolierte Judasohren


         


Gemeinsame Zeit - und ein jahreszeitliches Projekt

Wir setzen uns zu den Jahrkreisfesten immer gerne zusammen für ein jahreszeitlich passendes Projekt. Hier sind einige Ideen:

Ganzjährig:

  • Kränze binden

Herbst / Winter:

  • Früchtebrot backen
  • Kerzen aus Wachsplatten drehen oder aus Wachsresten gießen
  • Anzünder herstellen
  • Plätzchen / Lebkuchen backen

Frühling:

  • das erste Pesto des Jahres herstellen

Sommer:

  • Obst einkochen




Jahrkreisfeste feiern - eine ganz individuelle Sache

Ein großer Teil des Zaubers dieser wiederkehrenden Feste, liegt für uns in dem sanften Rhythmus, den sie vorgeben. Und ein Teil der Frage, wie genau sie das Tun liegt hier...

Rituale

Rituale sind wiederkehrende Praktiken - das kann ebenso täglich wie jährlich sein. Im Grunde sind es Gewohnheiten, für die wir uns ganz bewusst entschieden haben oder denen wir zumindest mit Bewusstsein nachgehen.

Rituale können übernommen oder selbst gestaltet werden. Und so sind die Jahrkreisfeste eine gute Gelegenheit, etwas Altes, bewährtes zu nehmen und daraus etwas neues, individuelles zu machen.




Eines noch dazu: leider gibt es zwischen Menschen, die sich mehr Naturverbindung wünschen, und neuen wie alten Rechten Überschneidungen in einzelnen Interessen und Praktiken. So versuchten etwa die Nazis die Sonnwendfeiern anstelle religiöser Feste zu etablieren. Wir distanzieren uns vehement und ohne Ausnahme von rechten Gruppen und Ansichten. Unsere öffentlichen Plattformen - hier wie auch auf Instagram und Facebook - sind offen für alle, die Toleranz für andere mitbringen.

22.09.2020
Nadine